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Antifa Ost Prozess: Ein Kronzeuge sagt aus 

5. August 2022 - 08:18 Uhr - 2 Ergänzungen

Am Oberlandesgericht Dresden (OLG) hat sich der zunächst nur für wenige Monate geplante Prozess gegen vier Antifaschist:innen mittlerweile zu einem Verfahrensmonster ausgeweitet. Im September 2021 hatte der Staatsschutzsenat des OLG die öffentliche HauDiesptverhandlung gegen insgesamt vier Angeklagte eröffnet, Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Körperverletzung, Landfriedensbruch. Durch immer neue Beweise, die durch die Generalbundesanwältin erst im Laufe der Gerichtsverhandlung in das Verfahren eingeführt wurden, geht der Prozess nun bereits in den elften Verhandlungsmonat.

Seit dem letzten Donnerstag wird mit großem Aufwand ein sogenannter Kronzeuge, Johannes Domhöver, vom Gericht angehört. Nach eigener Aussage hat sich der Mann von der linken Bewegung entfernt, nachdem ihm öffentlich vorgeworfen wurde, seine ehemalige Partnerin vergewaltigt und mit dem Tod bedroht zu haben. Dies hatte im Oktober vergangenen Jahres eine Unterstützungsgruppe auf der Plattform indymedia.org öffentlich gemacht und weitreichende Konsequenzen für ihn gefordert. Der Mann ist ebenfalls Beschuldigter im laufenden 129-Verfahren, soll aber erst in einem Folgeprozess in Gera verhandelt werden.

Wie es dazu gekommen sei, dass er nun vor Gericht gegen seine ehemaligen Freund:innen aussagt, war dem Kronzeugen offensichtlich sehr wichtig. In seiner Wahrnehmung hätten sich seine alten Genoss*innen zu Unrecht von ihm entfernt. Die vorgeworfene Vergewaltigung bestritt er ebenso, wie die Drohungen. Es habe keine Gewalt gegeben. Dass eine Vergewaltigung auch nach deutschem Recht nicht zwangsläufig mit Gewalt verbunden sein muss, versuchte auch die Verteidigung der Angeklagten in das Gerichtsverfahren einzuführen. Am Freitag erschien auf indymedia dann ein weiteres anonym veröffentlichtes Statement, welches sich mit der Vergewaltigung und dem dazugehörigen Strafverfahren beschäftigt.

In dem Schreiben wird sehr detailliert auf den Ablauf des Strafverfahrens eingegangen, dass wohl im Zuge der Ermittlungen nach § 129 StGB von Amts wegen eingeleitet wurde. Die Betroffene habe sich damals ohne andere Unterstützung an die Polizei gewandt und sei bei ihrer Vernehmung durch das LKA nicht den Umständen entsprechend sensibel behandelt worden. In der Folge stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach einem Schreiben des Rechtsanwaltes von Johannes Domhöver ein. Das Schreiben wirft der Staatsanwaltschaft dabei explizit vor, einen Deal mit dem Mann geschlossen zu haben, nachdem sich dieser bereit erklärt hatte, im Verfahren in Dresden auszusagen.

Im Gerichtsprozess selbst hat der Kronzeuge am ersten Verhandlungstag noch nicht allzu viel zur Aufklärung der Taten beigetragen. Seine Aussagen belasten bisher zwei der vier Angeklagten, die noch am Tattag in der Nähe des Tatortes festgenommen worden waren. Gleichzeitig stellen seine Aussagen die Behauptung der Anklageschrift in Frage, dass eine der Angeklagten als Rädelsführerin agiert hätte. Er selbst sei von einem weiteren Beschuldigten in einem parallel laufenden Verfahren kontaktiert und instruiert worden. Bei der Aktion, bei der ein bekannter Neonazi in der Stadt Eisenach angegriffen werden sollte, habe er nach eigener Aussage als Späher fungiert. Der Angriff misslang.

Die Verteidigung stellte in den letzten Verhandlungswochen verstärkt das Vorgehen der Bundesanwaltschaft (BAW) in Frage. Diese bediene sich des Kniffs, zwei Verfahren zu führen, die sich auf dieselben Taten aber unterschiedliche Beschuldigte bezögen. So sei es ihr nach Gutdünken möglich, Erkenntnisse aus dem Ermittlungsverfahren in die Gerichtsverhandlung zu überführen. Eine Zeugin, die im Frühjahr vor das Gericht geladen worden war, sei erst kurze Zeit später in den Status der Beschuldigten gehoben worden, obwohl schon bei ihrem Termin vor Gericht die Staatsanwaltschaft gewusst habe, dass gegen sie Beweise vorlägen. Dennoch habe die BAW zum Termin nicht gegen ein Ordnungsgeld interveniert, mit dem der Senat die Zeugin wegen der Verweigerung ihrer Aussage belegt hatte.

Vor dem Gerichtssaal werden auch in dieser Woche Antifaschist*innen gegen die anhaltende Untersuchungshaft einer Beschuldigten und die Kriminalisierung antifaschistischer Politik demonstrieren. Um das Bild aufrecht zu erhalten, dass mit dem Verfahren die Gründung einer neuen RAF verhindert worden sei, hält der Freistaat Sachsen mit einem Großaufgebot an Polizist*innen dagegen. Der Eingangsbereich war am vergangenen Donnerstag mit zwei Hunderschaften der Bereitschaftspolizei gesichert, am Himmel kreiste ein Hubschrauber. Im Hochsicherheitssaal, den jede:r Besucher:in nur nach peniblen Kontrollen betreten kann, positionierten sich rund um den Kronzeugen zudem acht bewaffnete Personenschützer.


Veröffentlicht am 5. August 2022 um 08:18 Uhr von Redaktion in Antifa

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